Die durch ein Produkt verursachten Feuerschäden scheinen viele Gerichte zu überfordern.
Eine Mieterin hatte sich eines Morgens im Januar 2006 mit ihrer mutmaßlich knapp ein Jahr zuvor erworbenen Kaffeemaschine Senseo einen Kaffee zubereitet und war dann zur Arbeit gegangen. Während ihrer Abwesenheit kam es zu einem Brand in ihrer Küche. Die Feuerwehr wurde relativ rasch durch andere Anwohner verständigt und löschte den Küchenbrand praktisch dadurch, dass alle brennenden Sachen aus dem Küchenfenster ins Freie geworfen wurden. Da die Brandfolgen begrenzt blieben, von den nach draußen geworfenen Sachen lediglich die Kaffeemaschine Senseo völlig verbrannt und zerschmolzen war und sich ihr ursprünglicher Aufstellort anhand der Brandspuren genau dort befand, wo es gebrannt hatte, schlussfolgerte der eingesetzte Brandsachverständige, dass diese Kaffeemaschine den Küchenbrand verursacht haben müsse. Insbesondere waren andere denkbare Zündquellen im Brandausbruchsbereich nicht vorhanden.
Auf die äußerst naheliegende Produkthaftungsklage verteidigte sich der Hersteller der Kaffeemaschine Senseo u.a. mit der Behauptung, das Gerät sei anhand der Spurenlage an seinem Netzstecker zum Zeitpunkt des Brandes angeblich gar nicht in eine Steckdose eingesteckt gewesen. Außerdem sei die Kaffeemaschine Senseo ein millionenfach produziertes sicheres Produkt, welches angeblich nicht selbstständig in Brand geraten könne. Dem wurde entgegen gehalten, dass kein einziger anderer Gegenstand als Brandursache in Betracht komme und dass die Feuerwehr das brennende Gerät ja ins Freie geworfen habe, so dass der Netzstecker deshalb keine typischen Spuren aufweisen könne. Außerdem habe sich eben genau dieser Hersteller dadurch hervorgetan, dass er für mehrere Millionen seiner Kaffeemaschinen Senseo aus dem Produktionszeitraum Juli 2006 bis November 2008 eine aufwändige Rückrufaktion wegen Sicherheitsgefahren, u.a. an der Elektrik der Geräte, durchgeführt habe. Wann exakt die brandursächliche Kaffeemaschine erworben worden sei und welche genauen Produktionschargen und -zeiträume von den Sicherheitsmängeln in der Herstellung betroffen gewesen seien, müsse als unklar bezeichnet werden. Für die Haftung genüge zudem ein bloßer einzelner Ausreißer aus der Produktion.
Während das LG Lübeck dem ersten Brandsachverständigen folgte und offenbar keine Schwierigkeiten mit der Vorstellung hatte, als einzige mögliche Zündquelle im Brandausbruchsbereich und als einziger völlig verbrannter bzw. zerschmolzener Gegenstand müsse nach der Logik die Kaffeemaschine an das Stromnetz angeschlossen und während der Abwesenheit der Mieterin aus sich selbst heraus wegen eines Sicherheitsdefizits in Brand geraten sein, ließ sich das OLG Schleswig in dem vom Hersteller angestrengten Berufungsverfahren überzeugen, zunächst ein gerichtliches Sachverständigengutachten durch einen zweiten Sachverständigen einzuholen, welches genau die Ergebnisse des ersten Gutachtens auch bestätigte. Nachdem dieses dem Hersteller unerfreuliche Gutachten vorlag, lehnte er den Sachverständigen jedoch im Nachhinein aus fadenscheinigen Gründen wegen angeblicher Besorgnis der Befangenheit ab und hatte damit bei Gericht zu allem Überdruss auch Erfolg. Damit aber nicht genug: Anschließend ließ sich das OLG Schleswig sogar noch darauf ein, ein weiteres gerichtliches Sachverständigengutachten zur forschen Negativ-Behauptung des Herstellers einzuholen, die Kaffeemaschine Senseo müsse als Brandursache angeblich sogar ausgeschieden werden. Der insgesamt dritte befasste Brandsachverständige konnte naturgemäß wie schon sein nachträglich abgelehnter Vorgänger abermals nur noch die vorhandenen Fotos der Brandstelle und die Gerätereste überprüfen. Nach aufwändigen Laboruntersuchungen interpretierte der dritte Sachverständige seine Befunde so, es gäbe angeblich nach seiner Einschätzung keine Belege dafür, dass der Netzstecker des Geräts während des Brandes eingesteckt gewesen sei oder dass es am Gerät selbst eine Primärzündung gegeben habe, weshalb die Kaffeemaschine Senseo als Brandursache auszuschließen sei. Eine andere Brandursache benannte er nicht.
Alle Proteste, es habe aber nun einmal einen Küchenbrand gegeben, der durch nichts außer der Kaffeemaschine Senseo bislang erklärbar sei, und das Gericht müsse den Widersprüchen zwischen den Gutachten zur Brandursache nachgehen und diese durch Anhörung des ersten und des dritten Sachverständigen möglichst beseitigen, halfen nichts. Mit Urteil vom 12.12.2013 Az. 11 U 160/09 gab das OLG Schleswig der Berufung statt und wies die Produkthaftungsklage ohne Zulassung weiterer Rechtsmittel ab. Den in den Fotos dokumentierten Spuren am Brandort schenkte das Gericht keinerlei Beachtung, sondern führte aus, die Mieterin sei sich bei ihrer Zeugenbefragung viele Jahre nach dem Geschehen unsicher gewesen, wo die Kaffeemaschine Senseo genau gestanden habe und ob sie eingesteckt wesen sei. Aufgrund dieser Unsicherheiten der Mieterin seien die Feststellungen des ersten Brandsachverständigen in Zweifel zu ziehen. Außerdem habe der dritte Brandsachverständige die Kaffeemaschine Senseo als Brandursache ausgeschlossen und es komme auch kein Anscheinsbeweis für einen Produktfehler in Betracht, zumal die Rückrufaktion des Herstellers Geräte aus einem anderen Produktionszeitraum betroffen hätten.
Die Entscheidung des OLG Schleswig ist in gewisser Weise leider typisch. Hier wurde einmal mehr von einem Gericht nicht verstanden, dass die Entscheidung über Brandursachen im Zweifel nicht nach der Interpretation unsicherer und subjektiver Zeugenaussagen viele Jahre nach einem Brand, sondern sogar primär nach der Bewertung objektiver Fakten und Brandspuren zu erfolgen hat. Fakt war jedoch, dass nach der Spurenlage laut Fotomaterial die Kaffeemaschine an einer bestimmten Stelle während des Brandes gestanden haben musste. Fakt war weiterhin, dass keine anderen möglichen Zündquellen außer der Senseo an dieser Stelle vorhanden waren. Tatsache war schließlich auch, dass kein anderer Gegenstand durch Feuereinwirkungen so zerstört und zerschmolzen war, wie dieses Gerät. All dies musste aus dem Fotomaterial auch einem Laien deutlich werden. Wer dann aber meint, dieses Gerät könne als Brandursache ausgeschlossen oder auch nur bezweifelt werden, der setzt sich über die Logik hinweg, weil er damit gleichzeitig die Tatsache negiert bzw. bezweifelt, dass es überhaupt einen Brand gab.