Stefan Wolter Rechtsanwalt

Produkthaftung (§§ 1, 3 ProdHaftG) beim Brand einer Waschmaschine

Leider gibt es in der Massenfertigung von elektrischen Geräten des Hausgebrauchs immer wieder mangelhafte Produkte, die aus sich selbst heraus in Brand geraten, sich dabei praktisch selbst zerstören und einen Schaden an Hausrat und Gebäude verursachen. Ist es zu Schäden an überwiegend privat genutzten Sachen gekommen, so können Ansprüche aus Produkthaftung seit dem 01.01.1990 nach den §§ 1 ff. ProdHaftG in Betracht kommen, ist es zu Schäden an gewerblich genutzten Sachen gekommen, so sind nur Ansprüche aus § 823 BGB denkbar. Die Haftung aus §§ 1 ff. ProdHaftG ist verschuldensunabhängig und dem Geschädigten daher günstiger, aber auch für die althergebrachte Herstellerhaftung aus § 823 BGB können dem Geschädigten immerhin zahlreiche Beweiserleichterungen zugute kommen.

Mit Ansprüchen aus §§ 1 ff. ProdHaftG hatten sich in der Vergangenheit nur sehr wenige Gerichte zu befassen, ein geradezu typischer Fall lag dann aber dem OLG Koblenz zur Entscheidung vor. Im Keller eines privaten Wohnhauses war am 20.11.1995 eine erst 6 Monate alte Waschmaschine während ihres Betriebs in Brand geraten und hatte einen größeren Feuerschaden verursacht, den der Geschädigte nur teilweise durch seinen Feuerversicherer reguliert erhielt. Den restlichen Schadenbetrag von immer noch rund DM 50.000,00 klagte der Geschädigte gegen den Hersteller ein, obwohl das Gerät zwischenzeitlich entsorgt worden war und somit nicht mehr begutachtet werden konnte. Der Kläger berief sich darauf, die Waschmaschine habe einen Produktfehler aufgewiesen, weil sie entgegen § 3 ProdHaftG nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen entsprochen habe. Der Hersteller bestritt die Selbstzündung des Geräts und berief sich außerdem hilfsweise darauf, er betreibe ein besonderes Qualitätsmanagement in der Produktion, so dass ein angeblich brandursächlicher Fehler im Gerät erst nachträglich entstanden sein könne.

Nach einem durchgeführten gerichtlichen Ortstermin im Beisein von Zeugen und Sachverständigen konnte indes bewiesen werden, dass nur die Waschmaschine in Betrieb gewesen war und dass von den Brandspuren her auch nur dieses Gerät primär in Brand geraten sein konnte. Ebenfalls erbrachte die Beweisaufnahme, dass die Waschmaschine seit ihrer Anschaffung weder repariert noch sonst verändert und stets ordnungsgemäß bedient worden war. Das OLG Koblenz verurteilte darauf den Hersteller des Geräts und führte aus, wenn es bei einem fast noch neuen, auf lange Nutzung ausgelegten Gerät bei üblicher und ordnungsgemäßer Benutzung zu einem technischen Defekt komme, so sprächen alle Umstände bzw. der Anscheinsbeweis dafür, dass das Produkt schon im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht fehlerfrei war und somit ein dem Hersteller zuzurechnender Produktfehler vorliege (OLG Koblenz, Urteil vom 24.06.1999 Az. 5 U 1668/98 = MDR 2000, 30).

Dieses Urteil ist zwar vom Ergebnis, nicht jedoch von seiner Begründung her ganz zutreffend und glücklich.

Wenn nachgewiesenermaßen ein Gerät des elektrischen Hausgebrauchs aus sich selbst heraus in Brand gerät, obwohl es nach seiner Anschaffung weder repariert noch sonst verändert und nur so benutzt wurde, wie es vom Verbraucher nach verständiger Würdigung zu erwarten war, dann ist auch so bereits positiv bewiesen, dass es im Zeitpunkt des Brandes den berechtigten Sicherheitserwartungen gemäß § 3 ProdHaftG nicht entsprochen hat. Auf Alter und Verschleiß des Produkts kann es dabei, jedenfalls im Grundsatz und entgegen der Meinung des OLG Koblenz, eben nicht ankommen.

Maßgeblicher technischer Sicherheitsstandard für elektrische Geräte des Hausgebrauchs ist die DIN-EN 60335. Ziffer 3. der genannten Vorschrift bestimmt, dass elektrische Geräte für den Hausgebrauch so beschaffen sein müssen, dass sie im sachgemäßen Betrieb sicher arbeiten, so dass sie keine Gefahr für den Benutzer oder die Umgebung verursachen, auch nicht in Fällen sorgloser Benutzung, wie sie im sachgemäßen Betrieb vorkommen kann. Ziffer 4.5 der DIN-EN 60335 schreibt vor, dass für die so genannte Typprüfung ein derartiges Gerät in die ungünstigste Stellung gebracht werden muss, die im sachgemäßen Gebrauch vorkommen kann. Ziffer 19.1 des technischen Regelwerkes sieht sogar vor, dass dem Hersteller die Pflicht zur Vorbeugung von Brandgefahren und mechanischen Schäden im unsachgemäßen oder sorglosen Betrieb auferlegt ist, soweit eine derartige Vorbeugung durchführbar ist. Elektrische Stromkreise müssen aber stets so gebaut und verwendet werden, dass ein Fehler das Gerät nicht unsicher macht im Hinblick auf elektrischen Schlag, Brandgefahr, mechanische Gefährdung oder gefährliche Fehlfunktion.

Damit aber spielt nach den technischen Vorgaben das Alter eines Geräts grundsätzlich keine Rolle. Es darf sicherlich nach einiger Zeit des Gebrauchs einem Verschleiß unterliegen und natürlich auch „kaputt“ gehen, es darf aber selbst dann eben nicht aus sich selbst heraus in Brand geraten, denn dann wären entgegen Ziff. 19.1 der DIN-EN 60335 die elektrischen Stromkreise nicht so gebaut und verwendet, dass sie auch bei normaler Nutzung und typischem Verschleiß noch sicher wären.

Das OLG Koblenz wusste offenbar nichts über diese technischen Vorgaben, weil keiner der Prozessbeteiligten und auch keiner der Sachverständigen diese erwähnt zu haben scheint. Aber dennoch hat das Gericht den Anscheinsbeweis zu unrecht bzw. zumindest missverständlich für die Begründung eines Produktfehlers angewendet. In Wahrheit ging es aber nicht mehr darum, ob ein Produktfehler an der Waschmaschine noch nachgewiesen werden musste, sondern darum, ob dieser Produktfehler dem Gerät schon seit dem Inverkehrbringen anhaftete. Der Hersteller hatte nämlich versucht, seiner Inanspruchnahme durch seinen Hinweis auf ein besonderes Qualitätsmanagement zu entgehen und eingewandt, der Fehler könne deshalb angeblich erst nachträglich beim Geschädigten entstanden sein.

Der vom OLG Koblenz bemühte Anscheinsbeweis, bei einem erst 6 Monate alten Gerät müsse der Produktfehler schon beim Inverkehrbringen vorgelegen haben, hat diesen Einwand des Herstellers zwar zunichte gemacht. Den Anscheinsbeweis musste man aber gar nicht anbringen, denn es war durch die Zeugenaussagen ja schon positiv nachgewiesen worden, dass die Waschmaschine seit ihrem Erwerb nicht repariert oder sonst verändert wurde. Damit aber war nachgewiesen, dass allenfalls die bloße Benutzung und der bloße Verschleiß nachträglich auf das Gerät gewirkt haben konnten. Dies hätte nach Maßgabe von § 3 ProdHaftG und den Bestimmungen der DIN-EN 60335 aber eben auch nicht zum Brand des Geräts führen dürfen.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass kein Hersteller in der Massenproduktion von Elektrogeräten jegliche Ausreißer aus der Produktion zu 100 % sicher ausschließen kann. Jeder Hersteller solcher Geräte hat vielmehr immer einen gewissen Ausschuss und eine gewisse Reklamationsquote, die Frage wäre allenfalls, wie hoch diese Quoten für bestimmte Produktionschargen sind. Da es bei den §§ 1 ff. ProdHaftG allerdings nicht auf ein Verschulden des Herstellers ankommt, haftet er ohne Entlastungsmöglichkeit für jeden einzelnen Ausreißer aus seiner Produktion.