Stefan Wolter Rechtsanwalt

Verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch (§ 906 II 2 BGB)

In einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1999 (vgl. BGH VersR 1999, 1139) hatte der BGH entschieden, der (selbstnutzende) Eigentümer eines Wohngebäudes müsse für einen im einzelnen unaufgeklärten Brandausbruch an der Elektroverteilung im Rahmen einer wertenden Betrachtung für die erlittenen Beeinträchtigungen seines Nachbarn einstehen, denn für die Wartung und Unterhaltung der Elektroanlage sei der (selbstnutzende) Eigentümer grundsätzlich verantwortlich. Nun lag mir ein Schadeneiereignis vor, in welchem ein Brand in einem Schlafzimmer auf dem Nachbargrundstück nachweislich am Kopfteil eines elektrisch verstellbaren Betts seinen Ausgang genommen hatte und als Brandursache entweder nur ein unachtsamer Umgang mit Tabakglut oder eben ein technischer Defekt an diesem Bett in Betracht kam. Da die Ehefrau des Nachbarn dieses Zimmer und das elektrisch verstellbare Bett stets und auch in der Brandnacht alleine zum Schlafen nutzte war, wurde die Klage gegen sie gerichtet und argumentiert, nur die Ehefrau habe die Immissionsquelle im Rahmen einer wertenden Betrachtung beherrschen können und müssen.

Nachdem das LG Essen und das OLG Hamm meinten, die Ausgleichsansprüche scheiterten am Nachweis der notwendigen Störereigenschaft der Ehefrau gemäß § 1004 BGB, erklärte der BGH den Anspruch mit Urteil vom 01.04.2011 Az. V ZR 193/10 für berechtigt. Zwar meinte der BGH zunächst fälschlich und auch widersprüchlich, es komme auf die Benutzung des gesamten Nachbargrundstücks an, um dann auszuführen, die Ehefrau habe einen (mit-) bestimmenden Einfluss auf das gesamte Grundstück ausgeübt, weil sie über die Nutzung des besagten Schlafzimmers den alleinbestimmenden Einfluss gehabt habe. Die Störereigenschaft könne dagegen nicht begrifflich, sondern müsse von Fall zu Fall in wertender Betrachtung überprüft werden. Sie müsse dann bejaht werden, wenn es eine allgemeine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen auch ohne konkreten Anlass gegeben habe. Eine solche Sicherungspflicht sei aber bei beiden denkbaren Brandverursachungsvarianten anzunehmen, gerade auch bei den elektrischen Komponenten des Betts. [die Entscheidung ist mittlerweile veröffentlicht, vgl. BGH NJW-RR 2011, 739]